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Newsletter Nr. 46 vom 21. September 2025

Wächst du noch, reifst du schon oder hast du fertig?

Liebe Leserin, lieber Leser,

fangen wir mit einer grundsätzlichen Klarstellung an: Wenn Sie nicht gerade ein Grönlandhai sind oder ein Korallenriff oder auch nur eine deutsche Eiche, ist Ihre Wachstumszeit relativ überschaubar. Spätestens nach 20 Jahren, mit Ende von Kindheit und Jugend, ist Schluss, zumindest mit dem körperlichen Wachstum. Statt aber von »ausgewachsenen Säugetieren« zu sprechen, haben wir es dann mit »erwachsenen Menschen« zu tun. 

Meistens jedenfalls. Denn irgendwie scheint das persönliche Wachstum doch noch nicht abgeschlossen zu sein. Emotional, geistig, charakterlich, sozial, spirituell ist bei den meisten noch Luft nach oben – und das wahrscheinlich bis zum Lebensende. Niemand hat wirklich fertig, bevor wirklich Schluss ist. (Und selbst dann kann man nie ganz sicher sein, ob es mit dem Wachstum vorbei ist, vgl. Hesse, H. [1941]. Stufen: »Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde / Uns neuen Räumen jung entgegen senden, / Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …«)

Die Chance, als Mensch zu wachsen und zu reifen, hat also kein Verfallsdatum. Veränderung ist und bleibt möglich. Aber wie steht es um den Anspruch, Wachsen und Reifen gefälligst auch selbst vorantreiben zu müssen? Geht das überhaupt und wenn ja, wie? Oder ist der Druck, etwas für das persönliche Wachstum zu tun, kontraproduktiv und nur eine weitere Form der Selbstoptimierung? Endlich das Tagebuch führen, endlich das Coaching machen, endlich die Auszeit nehmen? Endlich die emotionale Intelligenz verbessern und die Selbstwahrnehmung und die Resilienz? Ziele setzen, an sich arbeiten, ein besserer Zuhörer werden?

Persönliches Wachstum sei ein kontinuierlicher Prozess der Selbstentwicklung, so lautet ein gängiges Credo. Dabei sollten neue Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Einstellungen entwickelt werden, um verschiedene Lebensaspekte zu verbessern. Es sei ein bewusster, aktiver und zielgerichteter Weg, um zur »besten Version deiner selbst« zu werden, ein bedeutungsvolleres und erfüllteres Leben zu haben, mehr Sinn und Zufriedenheit zu erfahren. 

Mehr wohlklingende Phrase geht wahrscheinlich nicht – und mehr existenzielle Überforderung auch nicht. Denn, und das ist die Crux: Wachsen und Reifen geschieht meist vor dem Hintergrund menschlicher Kontingenzerfahrung – und nicht, weil es gerade in den Terminplan oder ins eigene Lebenskonzept passt. Schicksalsschläge, Leiderfahrungen, Begegnungen, das Aushalten und das Aufgeben, das Suchen und Finden, das Grenzen-Überschreiten und das Grenzen-Ziehen im Leben sind die Katalysatoren – und nicht das Abarbeiten von Strategien der Persönlichkeitsentwicklung, »um Potenziale zu entfalten«. (Richtig ist: Zeiten der Reflexion über das eigene Wachstum können hilfreich sein. So wie Kletterhilfen für Rankpflanzen – sie ordnen das Wachstum, das schon geschieht.)

Wie kann also »Wachsen und Reifen« aussehen im echten Leben? Da, wo mit der Alkoholsucht gerungen wird oder der Krebserkrankung, mit der zerbrochenen Ehe oder dem verlorenen Gottesglaube, mit dem Rassismus der anderen, dem eigenen Alter oder der Behinderung, die so viel unmöglich erscheinen lässt? Für unser neues Themenheft Anders Handeln, das Sie hier bestellen können, haben wir nachgefragt und hingeschaut. Wir sind dabei auf berührende Geschichten gestoßen: von der Entdeckung der großen Liebe mit über 90, von der plötzlichen Verantwortung einer Teenagerin in einer leidgeprüften Familie oder von der überragenden Stärke in einem kleinen Körper. Eine Erkenntnis: Wachsen und Reifen ist in menschlicher Hinsicht kein Selbstgänger, sondern erfordert Mut und einen langen Atem. 

Mit diesem Newsletter wollen wir Sie einladen, mit uns weiter über das Thema »Wachsen und Reifen« nachzudenken. Schreiben Sie uns, wenn Sie mögen. Übrigens: Ein Grönlandhai braucht rund 150 Jahre, bis er ausgewachsen ist …

SAGEN SIE MAL, FRAU ASSELMANN ...

»KRISEN ZWINGEN UNS OFT DAZU, UNS ZU HINTERFRAGEN«

Aber es gibt noch andere Katalysatoren für persönliches Wachstum, meint Psychologieprofessorin Eva Asselmann. Wir haben für unser neues Themenheft mal nachgefragt.

Frau Asselmann, welche Lebensereignisse lassen uns am meisten wachsen?
Eva Asselmann: Gerade Übergänge fordern uns heraus: der Berufseinstieg, eine Trennung, das Elternwerden. Sie zwingen uns, neue soziale Rollen einzunehmen und uns an neue Anforderungen anzupassen. Studien zeigen etwa, dass Menschen nach dem Berufseinstieg oft gewissenhafter und stabiler werden, weil sie mehr Verantwortung übernehmen müssen. Zum ersten Mal müssen wir in einem formalen Kontext Verantwortung übernehmen – und zwar in großem Stil und über längere Zeit. Wir müssen uns organisieren, durchhalten, mit anderen kooperieren. Das alles kann auf unsere Persönlichkeit zurückwirken.

Brauchen wir Krisen, um zu wachsen?
Eva Asselmann: Nicht unbedingt. Auch durch Neuanfänge, gute Gespräche oder erfüllende Beziehungen können wir wachsen. Aber Krisen zwingen uns oft dazu, uns zu hinterfragen und neue Wege einzuschlagen – ob wir wollen oder nicht. Hierdurch können sie wie ein emotionaler Katalysator wirken – schmerzhaft, aber manchmal heilsam.

Was entscheidet, ob wir an Krisen scheitern oder wachsen?
Eva Asselmann: Nicht das Ereignis selbst, sondern wie wir damit umgehen. Wer in einer Krise nur den Verlust sieht, fühlt sich schnell machtlos. Wer irgendwann auch den Lernprozess darin erkennt, gewinnt innere Stärke. Entscheidend ist die Erfahrung, sich trotz oder gerade wegen der Krise positiv entwickelt zu haben – das kann unser Selbstvertrauen stärken.

Eva Asselmann ist Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der Health and Medical University in Potsdam. Sie forscht zu Persönlichkeitsentwicklung, Wohlbefinden und psychischer Gesundheit. Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch, das die Journalistin Kristina Gärtner für uns mit ihr geführt hat. Das ganze Interview finden Sie in unserem neuen Themenheft Anders Handeln »Wachsen und Reifen«

FUNDSTÜCK

WACHSEN BRAUCHT ZEIT

»Man sieht nur mit dem Herzen gut«, heißt es in der Erzählung »Der kleine Prinz« von Antoine de Saint-Exupéry. Das stimmt zwar, aber bei der Beobachtung von Wachstum ist noch etwas wichtig: Zeit. Dank Zeitraffer-Aufnahme können aber auch Ungeduldige etwas vom Wunder des Wachsens und Reifens wahrnehmen, zum Beispiel in diesem Video, das 32 verschiedene Pflanzen beim Wachsen zeigt. Eine Stunde Zeit muss man dafür aber trotzdem noch investieren. Gefunden auf Youtube. Pflanzenwachstum im Zeitraffer

DER FALL

NACHSITZEN IN REIFEN JAHREN – EINE WIN-WIN-SITUATION?

Was Hänschen nicht gelernt hat – kann Hans immer noch lernen. Das hilft auch anderen.
Einige Grundschulen in Südkorea machen vor, wie das funktionieren kann.

Was tun, wenn die Geburtenrate abnimmt und Grundschulen in ländlichen Gegenden von der Schließung bedroht sind? Neue Schüler:innen finden! In Südkorea, einem Land mit einer der niedrigsten Geburtenraten weltweit, werden Seniorinnen in dörflichen Grundschulen aufgenommen. Die meist älteren Frauen, die bisher nicht lesen und schreiben konnten, lernen dort mit Kindern gemeinsam. Die Bangrim Grundschule in der Provinz Gangwon beispielsweise hatte nach einem massiven Rückgang nur noch 22 Schülerinnen und Schüler. Nun lernen dort ältere Frauen aus der Umgebung die Fähigkeiten, die ihnen im bisherigen Leben verschlossen geblieben sind. Soziale Inklusion und mentale Gesundheit durch lebenslanges Lernen sind die positiven Nebeneffekte dieser Win-Win-Situation. Die Klassen sind allerdings sehr gemischt: 70-Jährige sitzen neben Zweitklässlern.

Was denken Sie? Sollte man versuchen, verpasste Chancen später nachholen?
ZUR UMFRAGE
Wenn Sie noch weitere Gedanken zu dieser Frage haben, schreiben Sie uns an newsletter@andershandeln.de.
Die Ergebnisse der Umfrage und eine Auswahl von Leser:innen-Reaktionen werden in unserem nächsten Newsletter veröffentlicht.


NACHGESCHAUT

DRUNTER GEHT'S NICHT

Beim spirituellen Wachstum im christlichen Sinne gibt’s keine halben Sachen:
Vollkommenheit ist das Ziel und niemand geringeres als Christus die Messlatte
.

Wie jemand geistlich wachsen und reifen kann, ist im Christentum eindeutig: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben«, sagt Jesus (Joh 14,6). Die Nachfolge Jesu ist DIE große Wachstumsaufgabe für Christinnen und Christen. Das Ziel: die Entwicklung zu einem vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht (Eph 4,13). Vollkommenheit – das klingt groß. Und in unseren heutigen Ohren hat Vollkommenheit auch etwas Anmaßendes, etwas Glattes und Arrogantes. Doch die Bibel konkretisiert: Die Vollkommenen, so steht es im Hebräerbrief, sind jene, die gelernt haben, Gut und Böse zu unterscheiden – und sich für das Gute entscheiden. Das ist eine grundlegende menschliche Charakterschulung, die im Kindergartenalter beginnt und eigentlich nie beendet ist. Die Selbstüberprüfung der eigenen Gedanken, Worte und Werke auf »gut« und »böse« ist immer wieder aufs Neue nötig. Wenn Menschen sich für das Gute entscheiden, dann ist das »an ihren Früchten« (Mt 7, 20) zu erkennen. Die Früchte eines christlichen Lebens bilden aber einen interessanten Kontrapunkt zu denen unserer heutigen Leistungsgesellschaft: »Der Geist Gottes dagegen lässt als Frucht eine Fülle von Gutem wachsen, nämlich: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Freundlichkeit und Güte, Treue, Bescheidenheit und Selbstbeherrschung.« (Gal 5,22f) Es lohnt sich, danach zu streben, ein guter Mensch zu sein, verspricht die Bibel – und das nicht erst im Jenseits. In Psalm 92 heißt es: »Der Gerechte sprießt wie die Palme, er wächst wie die Zeder des Libanon.«  Und weiter: »Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische.« Aber Reife ist definitiv keine Frage des Alters, wird im Buch der Weisheit im vierten Kapitel betont: »Einsicht ist unter den Menschen das wahrhaft graue Haar und ein unbeflecktes Leben das rechte Greisenalter.« 
Einer, der viel mit jungen, heranwachsenden Menschen zu tun hatte, war Frère Roger, der 2005 verstorbene Gründer Gemeinschaft von Taizé. Er gab den Jugendlichen eine einfache Wachstumsformel mit auf den Weg, die allgemeingültig und persönlich zugleich ist: »Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.« Kirsten Westhuis


PRO UND CONTRA

MUSS ICH WACHSEN?

Die Sicherheit des Vertrauten tut der Seele gut. Oder ist das alles nur Angst vor Veränderung und Bequemlichkeit? Sollte man stets den Anspruch an sich haben, gelegentlich die eigene Komfortzone zu verlassen?

PRO  Raus aus der Komfortzone!
Sabine Henning, AZ-Redakteurin: Mein Patenonkel und seine Frau hatten über Jahrzehnte dasselbe Ritual: Sie trafen sich zur Kaffeepause in einer bekannten Rösterei, jeden Tag um 10 Uhr. Um 17 Uhr war mein Onkel dann zuhause, wo ihn meine Tante erwartete – sie war, was man üblicherweise eine Hausfrau nennt. Urlaub machten sie an immer denselben Orten. Stagnation pur, oder? Wachstum bedeutet Veränderung. Nicht immer sieht man diese auch von außen. Denn die andere Seite ihres westdeutschen Beamtenlebens sah so aus: Er malte für sein Leben gerne, sie engagierte sich bei Terre des Hommes. Sie hatten keine eigenen Kinder, dafür häufig ihre Neffen und Nichten, also auch mich, zu Besuch. Und ich genoss die Zeit und erlebte sie als glücklich. Aber reicht das, was meine Tante und mein Onkel an Veränderung gewagt haben? Müssen Er-Wachsene nach Ausbildung, Berufsstart und Familie weiter wachsen, das heißt, Neues wagen, Risiken der Veränderung und des Scheiterns eingehen, die (wohlverdiente) Komfortzone verlassen, sich bewegen? Auf jeden Fall. Ein Vergleich aus der menschlichen Physiologie: Werden Muskeln nicht gebraucht, verkümmern sie. Der Mensch wird starrer und weniger lebendig, weniger anpassungsfähig. Wer auch im Leben nur auf Nummer sicher gehen will und nicht mal was Neues ausprobiert, verkümmert und fliegt manchmal brutal aus der Bahn, weil andere oder neue Lebensumstände über die Veränderung bestimmen. Ich mache das dann doch lieber selbst. Mal ganz abgesehen davon, dass Neuanfänge so viel Spaß machen können – mindestens ebenso viel, wie sich jeden Tag mit dem oder der Liebsten im Lieblingscafé zu treffen.

CONTRA  Dankbarkeit fürs schon wunderbar Gemachtsein
Nele Beste, AZ-Volontärin: Um eins gleich klarzustellen: Toleranz ist für mich kein Wachstum, sondern eine Voraussetzung. Wer ständig daran arbeiten muss, andere auszuhalten, hat vielleicht gar nicht verstanden, worum es beim Menschsein geht. Und Neugier? Die tragen wir doch ohnehin von klein auf in uns. Sie hält uns offen. Aber muss daraus immer gleich persönliches Wachstum werden?
Schlafhygiene, ausgewogene Ernährung, sportliche Höchstleistungen, spannende Hobbys, neue Sprachen, eine lange Liste gelesener Bücher, Karrierepläne, Reisen in ferne Länder – und am besten alles gleichzeitig? Klingt nach ganz schön viel Arbeit.
Wer wachsen will, vergleicht sich. Mit anderen, mit dem eigenen Gestern, mit einem Idealbild. Doch was, wenn das Ziel unerreichbar bleibt? Bin ich dann stehengeblieben? Rückschrittlich? Weniger wert? Darüber hinaus kostet Wachstum Zeit, Energie und Fokus – Ressourcen, die nun mal begrenzt sind. Wer ständig wächst, ist außerdem viel mit sich selbst beschäftigt und verliert vielleicht den Blick dafür, was ringsum geschieht. Vielleicht zeugt es dann nicht von Reife, ständig im Wandel zu sein, sondern ist schlicht anstrengend.
Anstatt mich ständig zu fragen, was noch fehlt oder wo ich noch hinmüsste, schaue ich lieber darauf, wo ich gerade stehe. Vielleicht liegt echtes Wachstum nicht darin, ständig mehr zu wollen, sondern darin zu erkennen, dass es auch jetzt schon reicht. Dass ich so, wie ich bin, in Ordnung bin. Oder mit den Worten aus Psalm 139: »Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin.«


BUCHTIPPS

ERSTAUNLICHE BLICKWINKEL

Verwobenes Leben. Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen
von Merlin Sheldrake, Ullstein Verlag, Berlin 2020.
Wenn wir an Wachstum denken, haben wir zumeist Fülle und Üppigkeit vor Augen. Merlin Sheldrakes Buch »Verwobenes Leben« richtet den Blick unter die Oberfläche, in die Tiefe der Erde. Dort, wo Pilze ihr faszinierendes Myzel ausbreiten, ihr für den Menschen in der Regel unsichtbares mikrofeines Wurzelwerk. Das reicht oft Kilometer weit und der Pilz ist nur der Fruchtkörper. Der britische Biologe taucht ein in eine Welt, die es weit vor dem Menschen gab und ohne die wir nicht überleben könnten. Denn Pilze wachsen überall, reinigen, zersetzen, versorgen andere Lebewesen mit Nährstoffen. Ein faszinierender Blick in eine Welt, die unser Leben durch ihr Wachstum trägt und das Potential hat, es immer wieder zu retten. Und wer wissen möchte, wie Pilze klingen, schaut dem Biologen hier zu. Sabine Henning
Uhren gibt es nicht mehr 
von André Heller, btb Verlag, München 2018.

Der österreichische Künstler André Heller ist ein bunter Hund. In diesem Buch steht aber seine Mutter Elisabeth im Mittelpunkt. In 18 Gesprächen voller Weisheit, Witz und Wärme erzählt Elisabeth in ihrem 102. Lebensjahr über Vergangenes und Gegenwärtiges. »Ich werde vielleicht keinen vierblättrigen Klee mehr pflücken und keinen Flieder mehr blühen sehen«, sagt sie. Aber »der Klee wird ja auch mich nicht mehr sehen, so ist das irgendwie ausgeglichen, und auch der Flieder wird mich nicht mehr riechen.« Ihre Antworten sind meist von erstaunlicher Klarheit, manchmal auch von unerwarteter Poesie. Sie weiß schon mehr als wir und lässt uns Lesende für kurze Momente an ihrem Wissen über diese Welt und die nächste teilhaben. Eine kurzweilige und wunderschöne Einladung zum Fragenstellen und Zuhören. Linda Giering


UND DANN ...
Liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie Ihre Gedanken zum Newsletter-Thema mit uns und anderen Leser:innen teilen möchten, schreiben Sie uns an newsletter@andershandeln.de.
Als Reaktion auf unseren Juni-Newsletter »Ballast oder Schatz – wie umgehen mit Dogmen und Glaubenssätzen?« haben uns zahlreiche  Leserbriefe erreicht, unter anderem der von Maria Dürselen:
Glauben ist so individuell wie ein Fingerabdruck! Richtig oder falsch hat hier für mich keinen Platz! Jemandem zu sagen, er glaube falsch, halte ich für sehr anmaßend und übergriffig! Glauben nach bestem Wissen und Gewissen beinhaltet auch, meinen Mitmenschen achtsam und respektvoll zu begegnen. Glaube als radikal egoistisches Dogma gelebt führt zu leidvoller Vernichtung Andersgläubiger und unmenschlicher Gewalt. Mein Glaube (Gott als Metapher für das Gute, Heiliger Geist als Gedankengut des Glaubens, Jesus als Beispiel für einen Menschen, der beides zu leben versuchte) trägt mich in guten und besonders natürlich in weniger guten Zeiten.

Ulrich Hofacker:
Dogmen und Glaubenssätze sind für mich Wahrheiten aus einer »anderen Zeit« und fühlen sich für mich mehr nach Religiosität an und helfen mir nicht zu einem lebbarem Glauben, der ja zu meiner sich ändernden Wirklichkeit, Lebenszeit passen muss. Authentisch, christlich leben heißt für mich, auf dem Weg zu sein, eben auch in dem was und wie ich glaube/zweifle.

Brigitte Duscha:
Wie wohltuend, dass Sie sich des Themas annehmen. Mir macht es schon seit Jahr und Tag Schwierigkeiten, die vollkommen unglaubwürdigen Begriffe und Sätze anzuhören, nachzuvollziehen, geschweige denn auszusprechen. »Geboren von der Jungfrau Maria«
etc. etc. kriege ich einfach nicht mehr über die Lippen. Als habe es zeitgemäße Theologie nie gegeben (Sölle, Küng, Beile, Jörns). Weshalb gilt es als verwerflich, glauben UND verstehen zu wollen? Dieses ängstliche Festhalten gehört leider für manche Menschen dazu. Meiner Meinung nach behindert es den christlichen Glauben, fördern kann es ihn sicher nicht.

Peter Lehmann:
 
Ich glaube Gott, ich glaube nicht AN Gott. »Wo wohnt Gott?« fragte ein Rabbi. Seine verblüffende Antwort: »Wo man ihn einlässt.« Er/Sie ist vor mir und hinter mir, über und unter mir, außer mir fern und in mir groß. Martin Buber spricht vom DU, das mich zum Menschen macht.

Frauke Schreiner:
Seit ich älter bin, habe ich beim Glaubensbekenntnis mehr Bezug zum Heiligen Geist als früher. Er ist so eine Art persönlicher Freund ... Ich denke dabei an den Atem Gottes, der uns alle »beatmet« und verbindet. Und ich finde das Angebot, dass einer/eine von den dreien, je nach Lebenssituation, einem näher kommen kann, doch sehr großzügig, oder nicht? Mein Glaube wandelt sich, ich bin immernoch suchend. Mein Gottesbild mäandert mit mir durchs Leben und ermöglicht mir ab und zu neue Perspektiven. 

Bei der Umfrage im Juni-Newsletter (»Alles glauben oder irgendwas – wie halten Sie es mit Dogmen und Glaubenssätzen?
«) gab es folgende Ergebnisse:
8,1 Prozent: »Bei einigen Grundelementen sollten wir uns einig sein. Sonst verliert der Glaube das verbindende Element und jeder und jede ist sich nur selbst der/die Nächste. Das führt zu nichts Gutem.«
31,3 Prozent: »Die Vorstellung von Gott als eine höhere Macht auch außerhalb unseres irdischen Lebens ist mir wichtig.«
47,1 Prozent: »Es fällt mir manchmal schwer, an alle Glaubensgrundsätze zu glauben und manche liegen mir näher als andere. Glauben muss nicht bedeuten, dass ich alles zu jederzeit und zu 100 Prozent unterschreibe. Aber die Auseinandersetzung und der Dialog gehören für mich auch zum Glauben dazu.«
3,8 Prozent: »Glauben ohne Gott ist lächerlich. Woran glaube ich denn dann?«
7,9 Prozent: »Man kann glauben, wie man will. Wie es richtig geht und was alles dazugehört, können wir Menschen sowieso nicht wissen.«
1,8 Prozent: »Weiß nicht.«
(Teilnehmende: 393)

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Die nächste Ausgabe erscheint am Sonntag, 19. Oktober 2025.

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Andere Zeiten e.V.
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Redaktion: Ulrike Berg, Nele Beste, Linda Giering, Sabine Henning, Iris Macke (Gesamtverantwortung), Axel Reimann (Projektleitung), Kirsten Westhuis
Gestaltung: Jennifer van Rooyen
Illustration/Karikatur: Sarah Matuszewski
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